Radikal höflich gegen Rechtspopulismus – Zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Rechtspopulismus

Die Initiative „Kleiner Fünf“ wurde 2016 mit dem Ziel gegründet, rechtspopulistische Parteien bei der Bundestagswahl 2017 bei weniger als fünf Prozent und damit aus dem Bundestag zu halten, daher auch der Name. Die Maßgabe „Für Demokratie, gegen Rechtspopulismus – mit radikaler Höflichkeit“ will die Initiative mit zivilgesellschaftlichen Kampagnen und Bildungsangeboten erreichen. Finanziert wird die Initiative größtenteils über Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit. Julia Steinkamp im Gespräch mit Kleiner Fünf zu Themen der zivilgesellschaftlichen Arbeit gegen Rechtspopulismus in Zeiten von Corona.

Caroline und Tobias, wofür steht für euch die Initiative Kleiner Fünf und wie engagiert ihr euch für Demokratie und gegen Rechtspopulismus?

Caroline: Kleiner Fünf ist für mich persönlich die Möglichkeit, der politischen Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr nur zuzusehen. Lange Zeit hatte ich nicht das Gefühl, dass mein politisches Engagement wirklich gebraucht ist, aber mit Einzug der AfD in den Bundestag hat sich das geändert. Ich habe 2017 als studentische Hilfskraft im Bundestag gearbeitet und die Veränderungen dort mit dem Einzug der AfD hautnah mitbekommen. Das Auftreten von Rechtspopulist*innen im Parlament hat mich damals schockiert und hat mich motiviert selbst aktiv zu werden. Welche Themen mittlerweile verhandelt werden und welche Sprache dafür genutzt wird, ist nach fast drei Jahren kaum mehr ein Skandal. Das empfinde ich als extrem besorgniserregend. Mein ehrenamtliches Engagement wird auch immer mehr zu einer zumindest Teilzeitbeschäftigung.

Tobias: Kleiner Fünf bedeutet für mich durchdachtes und zielgerichtetes Engagement gegen rechtspopulistische Menschen- und Demokratiefeindlichkeit. Wir fokussieren uns auf konkrete Ansätze und Schritte, haben aber gleichzeitig das große Ziel „Kleiner Fünf“ – also weniger als 5 % der Wähler*innenstimmen für rechtspopulistische Parteien. Ich finde es wichtig, dieses langfristige Ziel nie aus den Augen zu verlieren, egal wie normalisiert die AfD zu erscheinen versucht. Die Arbeit bei Kleiner Fünf bedeutet für mich auch, Verantwortung für meine vergleichsweise privilegierte Position zu übernehmen. Ich selbst bin, wie wahrscheinlich viele, in den Jahren 2014/15 politisch aufgeschreckt worden. Aber vieles von dem, was seitdem als „Rechtsruck“ bezeichnet wird, ist ja überhaupt keine neue Entwicklung – sondern war für Menschen, die direkt von Diskriminierung betroffen sind, immer schon da.

In einigen Medienberichten wurde in den letzten Wochen bereits darüber diskutiert, inwiefern die Corona-Krise dazu beitragen kann, Rechtspopulist*innen zu schwächen und deutlich zu machen, dass sie keine wirklichen Lösungen aufzeigen können. Kannst du ähnliches beobachten und wie sieht euer Team diese Entwicklung?

Caroline: Die AfD hat in den letzten Wochen nicht gerade das beste Bild abgegeben. Damit entlarven sie sich selbst.  Wir sollten aber nicht übersehen, dass sich mit der jetzigen Situation die Aufmerksamkeit auch gefährlich verschiebt. Wichtige Themen geraten in den Hintergrund: wie z.B. die Bekämpfung des Rechtsextremismus nach den Ereignissen in Hanau und Halle, die erzwungene Auflösung des Flügels (die für die AfD zu keinem passenderen Zeit hätte kommen konnte, um die eigene Arbeit zu verharmlosen) oder die katastrophale Situation der Geflüchteten an Europas Grenzen.

Tobias: Ich halte die Schadenfreude auch für unangemessen. Zum einen, weil es sich um einen kurzzeitigen Trend handelt, der vor allem aufmerksamkeitsökonomische Gründe hat. Die AfD hatte noch nie irgendwelche Lösungen. Sie wurde aber von großen Teilen der Öffentlichkeit immer so behandelt, als wäre sie eine normale Partei mit normalen Ideen, über die ja mal diskutiert werden könnte – egal, wie menschen- und demokratiefeindlich sie waren. Zum anderen, weil der Fokus auf die AfD verkürzt und die Ruhe trügerisch ist. Nicht zuletzt werden im Zusammenhang mit COVID-19 täglich asiatisch gelesene Menschen angefeindet, haben antisemitische Verschwörungserzählungen Hochkonjunktur. Ein Blick nach Ungarn zeigt außerdem, wie nationalistisch-autoritäre Regierungen den Ausnahmezustand nutzen, um unbehelligt demokratische Strukturen zu zerstören. Auf europäische Unterstützung dagegen wartet die demokratische Zivilgesellschaft Ungarns derzeit offenbar vergeblich.

Wie geht ihr mit der aktuellen Situation um und wie hat sich eure Arbeit verändert?

Caroline:
Als bundesweite Initiative arbeiten wir schon immer sehr viel online zusammen. Das heißt, was interne Kommunikation angeht, sind wir schon ganz gut aufgestellt. Wir waren allerdings auch direkt von Veranstaltungsabsagen betroffen, denn wir geben Workshops für verschiedenste Institutionen zum Umgang mit Rechtspopulismus. Um diese Lücke zu füllen, haben wir Webinare konzipiert, an denen Menschen bequem von Zuhause teilnehmen können. Die positiven Rückmeldungen ermutigen uns, dieses Angebot in Zukunft weiter auszubauen.

Tobias: Wir werden die Webinare auf jeden Fall fortsetzen. Denn wir erreichen so vor allem Menschen, die sonst nicht an unserem Bildungsangebot teilhaben können – weil sie nicht Teil einer Organisation sind oder nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen. Im engeren Sinne ist das ja sogar unsere eigentliche Zielgruppe: Menschen, die in irgendeiner Form aktiv werden wollen, aber nicht wissen wie. Wir freuen uns, dass wir als Ansprechpartner*innen und Anlaufstelle wahrgenommen werden und heißen alle Interessierten willkommen!

Herzlichen Dank für das Gespräch und die spannenden Eindrücke in eure Arbeit!

Hier finden Sie die Links zu den kommenden Webinaren:

16. April 2020 || Interview von Julia Steinkamp, Mitarbeiterin Festival Orgelkultur