Wanderprediger, Ordensgründer, Kirchenfürst

Die vielen Gesichter des Norbert von Xanten

Irgendwann zwischen 1080 und 1085, genau weiß das heute niemand mehr, bekamen Heribert von Gennep und dessen Gattin Hedwig einen Sohn. Sie gaben ihm den Namen Norbert und bestimmten ihn für eine geistliche Laufbahn. So kam er in das Stift Sankt Viktor in Xanten.

1111 begleitete Norbert von Xanten, wie er nunmehr hieß, als Hofkaplan den Kaiser Heinrich V. nach Italien zur Krönung. Zwei Jahre später wurde ihm vom Kaiser das Bistum Cambrai angetragen, doch lehnte Norbert ab – wohl weil er bereits zu dieser Zeit der Überzeugung war, der Papst und nicht der Kaiser habe die Bischöfe einzusetzen.

Vier Jahre später, im Jahre 1115, kommt es zu einem entscheidenden Wendepunkt in Norberts Leben. Auslöser soll ein Blitzschlag gewesen sein, der ihn vom Pferd warf. Norbert tauscht das Leben eines im Wohlstand lebenden Kanonikers mit dem eines umherziehenden Buß- und Wanderpredigers. Sein Ideal ist die Vita Apostolica, ein Leben in der Nachfolge Christi. Die Kirche seiner Zeit sah er durch Verweltlichung bedroht. Natürlich geriet er so unter Beobachtung der Kirchenoberen. Nur ein schmaler Grat trennt mitunter den Heiligen vom Ketzer. Beide weichen schließlich von der Norm ab.

Nach Wanderjahren in Frankreich gründet Norbert 1120/21 in Prémontré eine Gemeinschaft. Seine Ideen fanden rasch Anhänger, und der neue Orden, der 1126 die Anerkennung durch den Papst erhielt, verbreitete sich rasch in Europa. Im deutschen Sprachraum war die Abtei Cappenberg die erste; Sie wurde bereits 1122 gegründet. Für seine auf viele Stifte verteilte Reformgruppe war Norbert Vater, Abt und Bischof zugleich. Seine Gemeinschaft war ganz auf ihn zugeschnitten.

Überraschend wurde Norbert 1125/26 zum Erzbischof von Magdeburg ernannt. Im Büßergewand soll er eingezogen sein. Von Anfang an war er jedoch umstritten, seine radikalen Ideen jedenfalls kamen bei prassenden Kanonikern und den das Zölibat missachtenden Priestern nicht gut an. Auch die Bürgerschaft wollte nicht gern an ein Leben in der Nachfolge Christi erinnert werden, welchem das eigene nur entfernt entsprach. Wer mahnend der eigenen Zeit den Spiegel vorhält, ist selten beliebt.

Norbert von Xanten griff auf seine Anhänger zurück: Er ersetzte die Kanoniker des Liebfrauenstiftes in Magdeburg durch Prämonstratenser, ebenso die Domkapitel in Havelberg und Brandenburg. Doch hat er selbst seine ursprüngliche Überzeugung nicht durchhalten können: Im Lauf der Jahre mehrten sich Berichte über eine prunkvolle Hofhaltung. Ob er sich wirklich von seinem eigenen Ideal entfernt hatte oder vielmehr versuchte, dabei den Erwartungen an seine Person gerecht zu werden und so Stellung und Einfluss zu wahren, muss offenbleiben. Norbert starb 1134 und wurde im Prämonstratenserstift „Unser lieben Frauen“ in Magdeburg beigesetzt; später wurden die Gebeine nach Prag überführt.

Der von Norbert gegründete Prämonstratenserorden, der zunächst ganz auf ihn als Person zugeschnitten war, bedurfte einer neuen Ausrichtung. Diese war so erfolgreich, dass der Orden weiter wuchs. Um die Mitte des 14. Jahrhundert gab es etwa 1300 Männer- und 400 Frauen-Klöster. Eine Besonderheit der Frühzeit war, dass Männer und Frauen zwar räumlich getrennt, aber im selben Kloster lebten. Bald jedoch kam es zu einer Trennung, und die Prämonstratenserinnen lebten fortan in eigenen Klöstern.

Auch heute gibt es noch Prämonstratenserinnen als zweiten Orden, doch kommen auf rund 100 Niederlassungen der Prämonstratenser nur rund ein halbes Dutzend Klöster der Prämonstratenserinnen. Das hat wohl auch mit der starken Ausrichtung des Ordens auf das Priestertum zu tun. Die Prämonstratenser sind nämlich keine Mönche, sondern geweihte Priester, die unter der Augustinusregel als Kanoniker respektive Chorherren leben. Die Priestergemeinschaft, vor allem im Gebet, das geistliches Ordensleben und eine engagierte Seelsorge bilden die Grundlagen ihrer Gemeinschaft.

Anlässlich des 900-jährigen Ordensjubiläums widmet das kulturhistorische Museum der Stadt Magdeburg, das sich bundesweit einen Namen durch seine herausragenden Mittelalter-Ausstellungen gemacht hat, dem Orden und seiner Geschichte eine Ausstellung. Der Titel „Mit Bibel und Spaten“ verweist bereits dabei auf die geistliche Erneuerung ebenso wie auf die zivilisatorischen Effekte, die im Umfeld der Klöster auftraten.

Einladung: Ferienakademie in Magdeburg

Vom 15. bis 18. September 2021 leitet Daniel Leis für die Thomas-Morus-Akademie die Ferienakademie „Zu jedem guten Werk bereit. 900 Jahre Prämonstratenserorden“. Anlässlich des Ordensjubiläums werden die Magdeburger Ausstellung besichtigt, ein Gespräch mit den Prämonstratensern Magdeburgs geführt und weitere Prämonstratensergründungen besucht.

Bildnachweise:

Ignac Mayer (1774): Papst Honorius II. bestätigt Norbert von Xanten die Prämonstratenser-Regel, Deckenfresko in der Klosterbibliothek Nova Rise (Tschechien), via Wikimedia commons (CC BY-SA 4.0)

Der heilige Norbert im Tal von Prémontré. Aus: J.A.F. Kronenburg (1900), Neerlands heiligen in de middeleeuwen, Amsterdam, via Wikimedia commons, gemeinfrei

Matthäus Merian (1653): Das Closter unserer Lieben Frauen Magdeburg, via Wikimedia commons, gemeinfrei

26. Juli 2021 || ein Beitrag von Daniel Leis, Kunsthistoriker und Historiker