Hoffnung eröffnet Zukunft. 20 Jahre esperanza-Schwangerschaftsberatung

In den vergangenen Tagen war mehrfach zu lesen, dass Kardinal Meisner vor 20 Jahren „esperanza – Das Beratungs- und Hilfenetz vor, während und nach einer Schwangerschaft“ gegründet hat. Sie waren zu der damaligen Zeit Referentin für die Katholischen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Wie war die Ausgangssituation für die Gründung von esperanza?

Aus Sicht der Beraterinnen und Träger der 1976 nach der Novellierung des § 218 StGB gegründeten katholischen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen stellt sich die Ausgangssituation als schwerer Verlust dar. Kardinal Meisner verkündet im Jahr 2000 den Ausstieg aus der für Frauen im existentiellen Schwangerschaftskonflikt vorgeschriebenen Pflichtberatung, trotz des zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und Rom mühsamen errungenen Weges, in der gesetzlichen Pflichtberatung zu verbleiben.

Seit Mitte der neunziger Jahre wurde innerkirchlich sehr gerungen, ob die katholische Kirche sich mit ihren Beratungsstellen bei Caritas, Sozialdienst katholischer Frauen und Sozialdienst katholischer Frauen und Männer an der gesetzlichen Pflichtberatung beteiligen darf, indem sie den schwangeren Frauen im existentiellen Schwangerschaftskonflikt bescheinigt, dass sie die Beratung in Anspruch genommen haben. Die ergebnisoffene Beratung hat zum Inhalt, die Konflikte mit der Frau/dem Paar zu bewältigen und Hilfen für ein Leben mit dem Kind individuell zu entwickeln. Die Beratung dient auf der gesetzlichen Grundlage des § 218 StGB dem Lebensschutz. Jedoch sah Rom in der Mitwirkung der Kirche eine Verdunklung des Zeugnisses für den Lebensschutz. Aus meiner Sicht eine Desavouierung des Sinns der Pflichtberatung!

Die Beratungsstellen arbeiteten nach den Vorgaben der Bischöflichen Richtlinien, die mit der Gesetzeslage nicht konkurrierten. Vor allem Kardinal Lehmann und viele andere Bischöfe setzen sich für den Erhalt der Mitwirkung in der Pflichtberatung ein. Jedoch mussten in Folge des Kölner Ausstiegs auf Drängen von Rom alle katholischen Beratungsstellen aus der gesetzlichen Pflichtberatung aussteigen.

Das war für alle Träger und Beraterinnen eine bittere Erfahrung. Auch die berufliche Identität der Beraterinnen geriet erheblich ins Wanken. Elf Beraterinnen wechselten zu der mit Unterstützung des ZdK gegründeten Beratungsstellen donum vitae, um weiterhin Frauen im existentiellen Schwangerschaftskonflikt zu erreichen.

Trauer und Orientierungslosigkeit, wie es weitergehen könne, waren auf Seiten der Beraterinnen die Ausgangssituation dafür, dass alles unternommen werden musste, um den katholischen Beratungsstellen ein neues Profil zu geben.

Und in dieser Situation wurde esperanza gegründet?

esperanza heißt Hoffnung. Mit einer Agentur wurde der Name „esperanza – Beratungs- und Hilfenetz vor, während und nach der Schwangerschaft“ entwickelt und das Angebot der Beratungsstellen wurde mit sehr viel Anstrengung erweitert. Das Erzbistum stellte Gelder bereit, damit Projekte initiiert werden konnten. So entstand das Projekt „Väterberatung“;  Berater wurden zunächst an vier Standorten eingestellt, die das Profil der Beratung schärften, so dass sich vermehrt werdende Väter beraten ließen. Inzwischen findet in jeder Beratungsstelle Väterberatung statt. Da in den Arztpraxen schwangere Frauen immer mehr auf Pränataldiagnostik hingewiesen wurden, und damit auch die Entscheidungsnöte der Frauen wuchsen, entstand zunächst wiederum an vier Standorten das Modellprojekt „Beratung in Fragen zu Pränataldiagnostik“. Für diese Projekte wurden neue Stellen geschaffen. Auch die Beratung in Fragen zur Familienplanung wurde in Zusammenarbeit mit einer Referentin für NFP (Natürliche Familienplanung) im Generalvikariat intensiviert. Die sexualpädagogische Arbeit in Schulen wurde ein neuer Schwerpunkt, für den sich viele Beraterinnen qualifizierten und auf Diözesanebene gemeinsam Konzepte entwickelten, u. a. das Projekt „MFM – My Fertility Matters – Meine Fruchtbarkeit zählt“. Darüber hinaus wurde ein Schwerpunkt in „Flankierende Maßnahmen“ gelegt. Mit dem Bildungswerk wurde in vielen Familienbildungsstätten das sogenannte „Babynest – Leichter Start mit Kind“ initiiert. Hinzu kam die Online-Beratung, zunächst als Chatberatung und die Beratung bei vertraulicher Geburt, wenn niemand von der Schwangerschaft erfahren durfte und das Kind zur Adoption freigegeben werden sollte.

All das waren Antworten auf bestehende Nöte und Sorgen von schwangeren Frauen und ihren Partnern. Nicht zuletzt wurde der Bischöfliche Hilfsfonds finanziell aufgestockt, weil viele Schwangere und junge Familien vor finanziellen und materiellen Herausforderungen stehen, wenn ungeplant ein Kind erwartet wird.

Die katholischen Beratungsstellen wurden 1976 nach der Novellierung des § 218 StGB gegründet, um Frauen im existentiellen Schwangerschaftskonflikt ein Beratungsangebot mit konkreten Hilfsangeboten zu machen. Werden diese Frauen noch erreicht?

Das war ja die große Sorge, dass beim Ausstieg aus der Pflichtberatung diese Frauen den Weg nicht mehr in die katholischen Beratungsstellen finden. Und diese Sorge ist zur Gewissheit geworden. Ganz vereinzelt kamen und kommen noch Frauen im existentiellen Schwangerschaftskonflikt mit der Hoff-nung auf Hilfe und Unterstützung, auf die sie auch wirklich zählen können. Jedoch ist die Anzahl dieser Frauen verschwindend gering.

Sie haben maßgeblich an dem neuen Profil der Beratungsstellen mitgewirkt. Wie haben Sie die Situation damals erlebt und wie sehen Sie die Entwicklung von esperanza?

Ich habe sehr für den Verbleib in der gesetzlichen Pflichtberatung gekämpft, weil mir bewusst war, dass wir die Frauen nicht mehr erreichen. Frauen in einer „alternativlosen Entscheidungssituation“, wie wir den Schwangerschaftskonflikt nannten, als Kirche alleine zu lassen, ihnen nicht mehr den Beistand geben zu können und alle Ressourcen sowohl in der Liebesfähigkeit der Frau zu ihrem ungeborenen Kind als auch in ihrem Umfeld zu entdecken und zu stärken, so dass sie ein tragfähiges Ja zu ihrem Kind finden kann, war sehr schmerzlich. Tröstlich war, dass das ZdK donum vitae gegründet hat und somit eine Beratung mit der Frau für ihr Kind gesichert wurde.

Über die Entwicklung von esperanza freue ich mich. Wie ich jetzt auf dem 20jährigen Jubiläum erfahren durften, konnten die Hilfen und Unterstützungsangebote weiterausgebaut werden. Die Beratungsstellen sind sehr nahe an den Nöten und Sorgen junger Familien und erkennen, wo Hilfen weiterzuentwickeln sind. Hierfür stellt die Kirche auch weitreichende Hilfen bereit.

Nach dem Ausstieg aus der gesetzlichen Pflichtberatung wurde die staatliche Mitfinanzierung der Beratungsstellen komplett gestrichen, so dass die Kirche die Beratungsstellen allein unterhalten musste, obwohl die Beratungsstellen nach dem Schwangeren- und Familienänderungsgesetz  § 2 sehr wohl im gesetzlichen Kontext beraten. Die erfolgreiche gerichtliche Auseinandersetzung bis zum Bundesverwaltungsgericht um die Mitfinanzierung der katholischen Beratungsstellen durch die Länder, hat zu einer erheblichen Nachzahlung durch das Land NRW geführt. Mit diesen Mitteln wurde ein Ehe- und Familienfonds im Erzbistum gegründet, so dass viele kleine und auch größere zeitlich befristete Projekte finanziell abgesichert werden können.

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

In der kommenden Woche sprechen wir mit Anke Hirsch, seit 2019 Referentin im Diözesan Caritasverband für das Erzbistum Köln für die esperanza Schwangerschaftsberatung, Adoption- und Pflegekinderhilfe und die Frühen Hilfen. Sie schildert die Entwicklung von esperanza und wirft einen Blick auf die aktuelle Situation in der Beratung für Frauen und Männer.

Bildnachweis:
Logo esperanza, © Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.

11. Dezember 2020 || ein Beitrag von Christa Pesch, Religions- und Dipl. Sozialpädagogin, Supervisorin und ehemalige Referentin für die katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen beim Diözesan-Caritasverband sowie Mitinitiatorin von esperanza. Heute ist sie u. a. tätig als Exerzitienbegleiterin und Meditationsleiterin.