Es bleibt der Hand der Kinder überlassen – Erinnerungen an die Bauhauskünstlerin Alma Siedhoff-Buscher

„Das Kleine Schiffbauspiel“
Das legendäre „Kleine Schiffbauspiel“ besteht aus 22 Holzelementen in den klassischen Bauhausfarben blau, rot und gelb und wird durch die Farben grün und weiß ergänzt. Die Teile lassen sich so ineinander setzen, dass sie einen Quader ergeben. Alma Siedhoff-Buscher schreibt über ihr „Kleines Schiffbauspiel“: „Es will nichts sein – kein Kubismus, kein Expressionismus, nur ein lustiges Farbenspiel aus glatten und eckigen Formen nach dem Prinzip der alten Baukästen“. „Die eigentliche Gestaltung, ob Fabelwesen oder technisches Werk, bleibt der Kinderhand überlassen“.

Mit dieser Aussage knüpft sie an die Gedanken der Reformpädagogik an, die die Individualität des Kindes und seine natürliche Neugier und Kreativität in den Mittelpunkt stellen.

Alma Siedhoff-Buscher wird am 4. Januar 1899 in Kreuztal bei Siegen geboren. Der Vater, ein Bahnbeamter, finanziert ihr nach dem Abitur den Besuch der privaten Reimann-Kunstschule und der Ausbildungsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin. 1922 bewirbt sich Alma in Weimar am Stattlichen Bauhaus. Ihren ersten Unterricht erhält sie bei Paul Klee und Wassily Kandinsky. Man bescheinigt ihr Intelligenz und Talent.
Zu diesem Zeitpunkt sollen weibliche Studenten die Weberei-Werkstatt besuchen. Alma sieht ihre Zukunft in anderen Bereichen der Kunst und bittet um Entlassung aus der Weberei. Mit 24 Jahren wechselt sie in die Werkstatt der Holzbildhauerei, die von Georg Muche und Josef Hartwig geleitet wird.
Für das Musterhaus „Am Horn“ entwirft Alma Buscher während ihrer Zeit am Bauhaus in Weimar die Ausstattung des Kinderzimmers, Klötze zum Sitzen und Bauen. Außerdem entsteht in dieser Zeit verschiedenes Kinderspielzeug.

Alma Siedhoff-Buscher nimmt 1926, da ist sie bereits mit dem Bauhaus nach Dessau gezogen, mit ihren Werken an der Ausstellung „Das Spielzeug“ in Nürnberg teil. Sie entwirft für den Otto Maier Verlag in Ravensburg Bastelbögen und Malfibeln. Die beiden Malfibeln sind noch heute bei FORMOST in einer Edition erhältlich.

Nach ihrer Heirat 1926 mit dem Tänzer und Schauspieler Werner Siedhoff, der an der Bauhausbühne von Oskar Schlemmer aktiv ist, prägt Alma Siedhoff-Buscher noch zwei Jahre mit ihrer Tätigkeit in Dessau die Entwicklung des Bauhauses. Häufige Wohnortwechsel, ausgelöst durch die Engagements ihres Mannes an verschiedenen deutschen Bühnen, bestimmen das Leben der Familie, das sich auch mit der Geburt des Sohnes Joost und der Tochter Lore verändert hat.

Alma Siedhoff-Buscher stirbt am 25. September 1944 in der Nähe von Frankfurt a.M. bei einem Bombenangriff.

Ihr Sohn Joost Siedhoff, Schauspieler und Hörspielproduzent, widmet sich dem Werk seiner Mutter. Auch im hohen Alter hält er ihr Erbe lebendig. Dabei hat für ihn die Wurfpuppe, die er noch besitzt, eine besondere Bedeutung. Leider, so führt er in einem Interview aus, sind diese schlaksigen Spielpuppen mit Holzkopf, Basthaaren und rundgestricktem Körper nie in Serienproduktion gegangen.

Das Neue Museum Nürnberg dokumentierte 2019 in der Ausstellung „BAU (SPIEL) HAUS“ zum Gründungsjubiläum den Einfluss der gestalterischen Entwicklung auf Spielkonzepte und Spielräume. Die Bauhausschule spürte die Motivation der Menschen auf und sah in der Verbindung von Spiel und Arbeit den Antrieb für Entwicklung und Gestaltung. Alma Siedhoff-Buscher hat dabei in besonderer Weise ihre Akzente gesetzt.

Das „Kleine Schiffbauspiel“ wird seit 1977 als Re-Edition vom Schweizer Hersteller Naef Spiele AG produziert und ist auf diese Weise nach fast 100 Jahren zeitlos geblieben und erfreut Kinder, Kunstliebhaberinnen und Kunstliebhaber gleichermaßen.

Eine Dokumentation im Februar 2019 unter dem Titel „Bauhausfrauen“ widmete sich der Bedeutung der Frauen für die Avantgarde und die Moderne und zeigt ihren Einfluss auf die künstlerische Entwicklung des Bauhauses. Wie auch Gunta Stölzl (Textildesign), Lucia Maholy (Fotographie), Marianne Brandt (Designerin) und Friedl Dicker (Malerin) bleibt Alma Siedhoff-Buscher mit ihrem Werk visionär.

Foto: Axel Hindemith, auf https://commons.wikimedia.org, gemeinfrei

11. Januar 2021 || ein Beitrag von Edith Dietzler-Isenberg, Konrektorin i. R. an einer Grundschule

Begleiten Sie Edith Dietzler-Isenberg nach Dessau. Hintergründe zum Bauhaus und seinen Künstlerinnen und Künstlern erfahren Sie bei der Ferienakademie Zwischen Gartenreich und Bauhaus. Dessau: Natur und Kunst, Architektur und Design vom 22. – 27. August 2021 (So.-Fr.).