Crowdfunding: Ella Brösch und die kirchliche Textilkunst

Eine fast vergessene Powerfrau
Die Textilkünstlerin Ella Brösch war eine Powerfrau: Sie schuf kostbare Gewänder für deutsche Dome, arbeitete mit bedeutenden Kirchenbaumeistern und Künstlern wie Dominikus Böhm, Albert Boßlet und Egino Weinert zusammen, gründete in Bonn eine Fachschule für kirchliche Textilkunst, lehrte an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücken und gab eine eigene Zeitschrift heraus. Dennoch ist Ella Brösch heute fast vergessen. Zu ihr gibt es kaum wissenschaftliche Literatur.

Bedrohte Kunstwerke
Auch um die von Ella Brösch geschaffenen Kunstwerke ist es schlecht bestellt: Durch die Empfindlichkeit des Materials, die Kriegszerstörung von Kirchen, den Veränderungsdruck im Zuge der Liturgiereform und den aktuellen Strukturwandel der Pfarrgemeinden wurde der Bestand moderner Paramente bereits enorm reduziert. Vor allem den vorkonziliaren Gewändern des 20. Jahrhunderts droht das traurige Schicksal der Entsorgung. Dabei bezeugen diese zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstandenen Textilien einen künstlerischen Aufbruch und ein aufregendes Kapitel Liturgiegeschichte.

Ein Beitrag zur kunsthistorischen Forschung – mit Ihrer Hilfe
Hier setzt das Forschungsprojekt der Kunsthistorikerin Dr. Elisabeth Peters an: Mit ihrer Forschung möchte Frau Dr. Peters zu erweiterter Kenntnis und neuer Wertschätzung der noch vorhandenen Stücke und somit zu ihrer Erhaltung beitragen und die Leistungen der weithin vergessenen Künstlerin Ella Brösch würdigen. Die Thomas-Morus-Akademie Bensberg unterstützt Frau Dr. Peters bei ihrem Forschungsvorhaben mit diesem Crowdfunding und bittet Sie um Ihre Spende.

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Ella Brösch und die kirchliche Textilkunst – Verkannt, vergessen, verloren

Manchmal muss man in die Keller der Sakristeien hinab- oder auf die Dachböden der Pfarrhäuser hinaufsteigen, um sie zu finden. Gelegentlich entdeckt man sie in muffigen Kartons oder zerknittert in selten geöffneten Schränken. Die Rede ist von kirchlichen Textilien, die nicht mehr in Gebrauch sind. Dabei handelt es sich um liturgische Gewänder, aber auch um anderes textiles Zubehör für die Feier des Gottesdienstes. „Paramente“ lautet der Fachausdruck für diese Objekte, abgeleitet vom lateinischen „parare“ (=bereiten). Sie sollen den Kirchenraum schmücken, den Zelebranten und seine Assistenz festlich kleiden und den Tisch des Herrn bereiten. Was aber geschieht mit abgelegten Paramenten? Vor allem den vorkonziliaren Gewändern des 20. Jahrhunderts, die in ihrer oft schlichten Modernität eher unscheinbar wirken, droht das Schicksal der Entsorgung. Dabei bezeugen diese zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstandenen Textilien einen künstlerischen Aufbruch und ein aufregendes Kapitel Liturgiegeschichte. Sie erzählen aber auch von den kreativen und selbstbewussten Frauen, die sie geschaffen haben. Eine dieser Frauen und ihr Werk möchte ich Ihnen heute vorstellen: Ella Brösch. Sie gründete 1929 in Bonn eine Fachschule für kirchliche Textilkunst und publizierte eine eigene Zeitschrift. Und übrigens: Sie stickte sogar einmal eine Anrufung der hl. Corona auf ein Gewand.

2. März 2021 || ein Beitrag von Dr. Elisabeth Peters, Kunsthistorikerin

Interessanter als ein Sofakissen

Ella Brösch wurde 1896 in Saarbrücken geboren. Ihre Ausbildung war recht vielseitig, wie man ihrem 1929 für die Bewerbung bei der Stadt Bonn verfassten Lebenslauf entnehmen kann: Schon vor dem Lyzeums-Abschluss 1917 hatte sie ein einjähriges Volontariat in einer Schneiderei absolviert. Es folgten weitere praktische Tätigkeiten im textilen Bereich. Zwischen 1920 und 1922 besuchte sie jeweils für ein Jahr das Fachgewerbeseminar des Lette-Vereins in Berlin (Wäschenähen u. Kunsthandarbeit) und danach die Staatliche Handels- u. Gewerbeschule Potsdam (Gewerbeseminar für Kunsthandarbeit u. Zeichnen). Angeblich sei ihr bei Museumsbesuchen angesichts historischer Paramente die Erkenntnis gekommen, dass es interesssanter sein müsse, ein liturgisches Gewand anzufertigen als ein Sofakissen. Von Herbst 1922 bis Herbst 1924 leitete sie die Paramentenwerkstätte der Franziskanerinnen in Trier, bevor sie zu Prof. Else Jaskolla an die Staatsschule für angewandte Kunst nach München ging. Ab Juni 1925 betrieb sie ihre erste eigene Werkstätte für kirchliche Textilkunst, zunächst in Bonn und anschließend bis April 1929 in Köln. Nebenher belegte sie an der Bonner bzw. Kölner Universität Lehrveranstaltungen im Fach Kunstgeschichte. Ostern 1929 absolvierte sie das Gewerbeexamen für Kunsthandarbeit an der staatlichen Handels- u. Gewerbeschule Rheydt und vermutlich im selben Jahr die Meisterprüfung an der Handwerkskammer in Köln.

Die Bonner Fachschule für kirchliche Textilkunst
Die Schule war ein typisches Gewächs der deutschen Bildungslandschaft nach dem Ersten Weltkrieg. Die Kunstgewerbebewegung nahm damals einen bedeutenden Aufschwung. Auch erfuhr das Handwerk neue Wertschätzung. Die Würde des Handgemachten wurde wieder betont, nachdem die Euphorie der ersten Industrialisierung verflogen war. Das wichtigste Projekt in dieser Hinsicht war sicher das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus, das jedoch kein singuläres Phänomen blieb. Auch die Kölner Kunstgewerbeschule erneuerte sich in den 1920er Jahren grundlegend und führte fortan den Namen Kölner Werkschulen. Anders als am Bauhaus pflegte man an den Kölner Werkschulen auch die kirchliche Ausstattungskunst. Bröschs Umzug 1927 mit ihrer Werkstatt nach Köln war ein geschickter Schachzug, denn Köln entwickelte sich zu einem Zentrum der modernen kirchlichen Kunstbewegung. Der bedeutendste Kirchenbauer dieser Zeit, Dominikus Böhm, lehrte an den Werkschulen. Zur Ausstattung seiner Sakralräume zog er immer wieder Kollegen und Schüler heran. Aber auch Brösch arbeitete um 1930 Paramente für seine neuen Kirchen in Frielingsdorf und Küppersteg. Da war sie bereits Leiterin der Bonner Fachschule. Die Idee zu dieser Gründung hatte sie zunächst dem Erzbistum Köln angetragen. Dort winkte man trotz allen Wohlwollens ab. Durch den Bau des Priesterseminars, heute Sitz der Thomas-Morus-Akademie, sei man finanziell bereits gebunden. Es war die Stadt Bonn, die sich schließlich des Projektes annahm. Allerdings ging man von Anfang an von einer Übernahme durch einen zu gründenden Diözesanverband der Paramentenvereine aus, so dass die Stadt sich bald zurückzog. Ein städtischer Dienstvertrag mit Brösch bestand lediglich zwischen Mai 1929 und März 1931.

Ein bisschen Bauhaus in Bonn?
Oberbürgermeister Dr. Falk fuhr im Juli 1929 mit Brösch nach Dessau, um das Bauhaus zu besichtigen und mit Margarethe Reichardt als Weblehrerin für die Bonner Fachschule zu verhandeln, letztlich ohne Ergebnis. Die Weberei des Bauhauses unter Gunta Stölzl war sehr erfolgreich. Allerdings wurden Schülerinnen trotz behaupteter Gleichberechtigung oft zur Weberei gedrängt bzw. zu anderen Klassen nicht zugelassen. Stölzl war als einzige weibliche Lehrkraft finanziell deutlich schlechter gestellt als ihre männlichen Kollegen und musste auf einen Professorentitel verzichten. Eine gewisse Verachtung der Textilklasse verrät das oft kolportierte Bonmot von Oskar Schlemmer: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib.“ Textiles Gestalten als heitere Freizeitbeschäftigung für die Hausfrau ist jedoch nicht zu verwechseln mit den Zielen Stölzls, aber auch Bröschs. Ihnen ging es um eine vollwertige Ausbildung für Frauen, die sich dem Kunsthandwerk professionell widmen wollten. Brösch äußerte sich auch öffentlich „Zur Berufsfrage des Mädchens“.

Ein emanzipatorischer Zug ist nicht zu leugnen. Brösch blieb zeitlebens unabhängig und alleinstehend. Angeblich habe sie einmal Franziskanerin werden wollen und auch eine an Nonnentracht erinnernde Kleidung getragen. Sie hielt ihre Schülerinnen in strenger Zucht. Noch im Alter erinnerte sich eine davon mit gewissem Stolz an Bröschs rigide Lehrmethoden: Einmal habe sie morgens bei Arbeitsantritt die Werkstücke auf allen Webstühlen, mit Ausnahme des ihren, zerschnitten vorgefunden. Brösch hatte mit der Nagelschere ein Exempel gegen in ihren Augen schlampige Arbeit der Schülerinnen statuiert.
Sie war kirchlich bestens vernetzt, was ihrer Schule prominente Aufträge einbrachte. Den Festornat für den 1942 geweihten Bischof von Aachen arbeitete sie teils aus weißer Fallschirmseide, die als Ersatzmaterial während des Krieges nur mühsam beschafft werden konnte. Dem Papst schenkte sie in ihrer Schule angefertigte Pontifikalschuhe. Sogar in der Kapelle der Katholischen Hochschule in Peking trug man ihre Gewänder.

Brösch bezog 1934 ein von ihr errichtetes Gebäude in der Görresstr. 40. Unter dieser Anschrift findet sich im Bonner Adressbuch auch der Dachverband der Paramentenvereine Deutschlands, unter dessen Obhut die private Fachschule nach Rückzug der Stadt Bonn stand. Neben Wohn- und Arbeitsräumen gab es dort auch eine Weberei, eine Färberei, einen Ausstellungsraum sowie eine Kapelle. Letztere entstand nach Plänen des bedeutenden Kirchenbauers Albert Boßlet. Die Zimmer der Internatsschülerinnen stattete Brösch mit Schleiflackmöbeln nach eigenem Entwurf aus. Von 1935 bis 1943 gab der Dachverband unter Federführung Bröschs die Zeitschrift „Kirchliche Textilkunst“ heraus. Hier publizierte sie neben historischen Paramenten vor allem vorbildliche eigene Arbeiten sowie Schnittmuster.

Was aber war in den Augen Bröschs und ihrer MitstreiterInnen für eine moderne Paramentik vorbildlich?

Modern und gleichzeitig uralt
Zunächst einmal sollte die Kasel, das priesterliche Obergewand, groß und weit geschnitten sein. Diese Form ist modern und gleichzeitig uralt. Auch die mittelalterliche „Casula“ (= Häuschen) war zeltartig weit und wurde erst in der Barockzeit zur sogenannten „Bassgeige“ zurechtgestutzt. Trotz einiger Versuche mit gotisierenden, über die Schultern fallenden Zuschnitten im Zuge des Historismus blieb doch die schurzartige und steife Bassgeige bis zum ersten Weltkrieg das übliche Gewand des Priesters. Erst in den 1920er Jahren wählte man vermehrt die „romanische“, weit geschnittene Form. Das Material war nun nicht mehr brettartig steif, sondern sollte den Körper als echtes Kleidungsstück umhüllen.
Die Beweggründe für diesen Wandel waren nicht allein ästhetischer Natur. Die Liturgische Bewegung, als deren wichtigste Vertreter Romano Guardini und Ildefons Herwegen genannt seien, wollte zur altchristlichen Form des Gottesdienstes zurückkehren. Die Retabel sollten verschwinden, damit der Altar wieder als Tisch erfahrbar und frei umschreitbar wäre. Die „celebratio versus populum“, wie sie in Maria Laach schon früh praktiziert wurde und die das Zweite Vatikanum zur Regel machte, war ein Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen. Dieser Wandel der Liturgie ließ die oft prachtvoll wie ein Bild gestaltete Kaselrückseite obsolet erscheinen. Gefordert war nun eine Allansichtigkeit des Gewandes. Dem trug Brösch Rechnung, indem sie Vorder- und Rückseite kaum unterschiedlich gewichtete. Gelegentlich verzichtete sie auch fast völlig auf zusätzlich angebrachten Schmuck und verließ sich auf die Wirkung eines prachtvoll gemusterten Stoffes. Für den Limburger Dom schuf sie einen vielteiligen Pontifikalornat, der aus einem von ihr entworfenen Seidengewebe gearbeitet ist. Das dem Art-déco verpflichtete und handgewebte Stoffmuster zeigt den Schriftzug ECCE AGNUS DEI, der als Ornament im Wechsel mit einer stark geometrisierten Darstellung eines Lammes bzw. Widders erscheint.

Der Einsatz von Schrift ist zeittypisch. Der legendäre Bonner Kunsthistoriker Heinrich Lützeler schreibt anlässlich einer Ausstellung in Bröschs Fachschule 1933: „Die Ausstellung verrät auch Einsicht in die immer noch nicht genügend erkannte Tatsache, daß Schrift magisch zu wirken vermag.“ Gerne zierte Brösch ihre Textilien mit Zitaten aus der Liturgie. Mit altkirchlichen Texten kannte sie sich aus. Egino Weinert berichtet in seinen Erinnerungen, wie er nach seinem Hinauswurf aus dem Kloster als einarmiger Goldschmied in der kargen Nachkriegszeit Kontakt mit Brösch aufnahm: „Im Kloster hatten wir viel gelesen. Aber als ich alle Bände der Kirchenväter in weißem Pergament in ihrem Regal stehen sah, […] da bin ich fast in die Knie gerutscht. Sie war eine fromme und gebildete Frau, hatte aber auch Haare auf den Zähnen“. Brösch war demnach sehr wohl in der Lage, Texte auszuwählen, die der Funktion des Gewandes als der Kleidung des Priesters entsprachen, der zum Altar tritt, um das Opfer des Lammes erneut zu vollziehen. Anders als bei den Blumenmustern des Barock geht es hier nicht um bloße Festlichkeit, sondern auch um eine religiöse Aussage. Diese manchmal plakativen Kreationen weckten den Widerspruch der traditionell arbeitenden Konkurrenten, die sich ohnehin durch die Geschäftstüchtigkeit der Brösch bedrängt sahen. Ein Kritiker schrieb 1935 im unverblümt rassistischen Jargon seiner Zeit: „Wenn ein Gewand nicht kreisrund geschnitten ist, wenn gestickte Figuren nicht aussehen wie Negergötzen, wenn die Handarbeitstechnik nicht großzügig wie bei einem Sofakissen ist, […] dann ist ein solches Parament nach dem Urteil dieser alleinigen Pächter der wahren Kunst unrettbar Kitsch.“ Doch die weit, wenn auch nicht kreisrund geschnittene Kasel setzte sich durch. Daran hatte Brösch mit ihrem Einfluss auf die Paramentenvereine und den in ihrer Zeitschrift verbreiteten Schnittmusterbögen einen Anteil.

Ein noch unbekanntes Oeuvre
Während an den Kölner Werkschulen durchaus nicht jede Kasel in den 1930er Jahren weit geschnitten wurde, ist mir keine einzige „Bassgeige“ Bröschs bekannt. Aber wie viele Arbeiten Bröschs kennen wir überhaupt? Vor seiner immer noch andauernden Generalsanierung durfte ich die Kunstschätze und liturgischen Objekte des Bonner Münsters inventarisieren. Durch mündliche Überlieferung und bestimmte Charakteristika können einige Paramente Ella Brösch zugeschrieben werden. Belege, die eine Datierung erlauben würden, schlummern vielleicht noch im Münsterarchiv.

Angeblich wurde ein ganz sicher vorkonziliarer schwarzer Samtornat in Auftrag gegeben, als die Spitzen der jungen Bundesrepublik gelegentlich zu Trauergottesdiensten in der Münsterkirche zusammenkamen. Die silberne Schließe des Chormantels, die ein bislang unbekannter Goldschmied beisteuerte, zeigt den Phönix als Symbol der Auferstehung.

Die lateinische Umschrift ist der Praefatio für Totenmessen entnommen („Leben gewandelt, nicht genommen“). Brösch verzichtete ganz auf den seit dem Spätmittelalter üblichen Rückenschild, der sich aus der nun überflüssig gewordenen Kapuze entwickelt hatte und später nur noch ein funktionsloser Zierbesatz war. Sie differenzierte sehr genau zwischen den unterschiedlichen Funktionsträgern der liturgischen Feier, indem sie das sich wiederholende gestickte Kreuzornament wie die Streifen einer Uniform einsetzt, die den militärischen Rang des Trägers anzeigen. Die Kasel des Zelebranten zieren je vier dieser Kreuzornamente auf Vorder- und Rückseite, die Dalmatiken für die assistierenden Diakone je drei, die Tunicellen für die Subdiakone je zwei. Da der Weihegrad des Subdiakons im Zuge des Zweiten Vatikanums abgeschafft wurde, bezeugt auch die Existenz der Tunicellen den vorkonziliaren Charakter der Gewänder.

Interessant sind Schnitt und Ausgestaltung der Dalmatiken und Tunicellen. Beispielsweise verzichtet Brösch bei den Bonner wie den Limburger Diakonsgewändern auf Querriegel, die üblicherweise als Zierbesätze auf Brust und Rücken die Vertikalstäbe miteinander verbanden. Auch schließt sie die recht langen Ärmel, die inzwischen meist zu kurzen, funktionslosen Anhängseln verkommen waren und nicht mehr an Ärmel erinnerten, mit einer Naht. Auf diese Weise nähert Brösch die Dalmatik wieder der antiken Tunika, wie sie beispielsweise auf frühen Darstellungen des hl. Stephanus zu sehen ist. Auch die Mosaiken von Ravenna, die Brösch wiederholt in ihrer Zeitschrift abbildete, zeigen dieses lange weiße Hemd mit vertikalen Purpurstreifen, den sogenannten Clavi. Bröschs Entwürfe betonen den Gewandcharakter und beabsichtigen eine Rückkehr zu den Ursprüngen. Nicht zufällig nannte man das weit geschnittene Messgewand auch „Katakombenkasel“. Brösch wollte das kirchliche Gewand vom sinnentleerten Zierrat der Jahrhunderte befreien und seine ursprüngliche Funktionalität sichtbar machen. Das war modern.

„Du weißt schon, dass das niemanden interessiert?“ So höre ich meinen Mann fragen, wenn ich wieder einmal von Paramenten erzähle. „Ja, weiß ich.“ Trotzdem steige ich immer wieder in Sakristeikeller hinab oder auf Dachböden hinauf, um abgelegte Paramente hervorzuziehen. Dabei wünsche ich mir, es möge einmal eine Kasel von Ella Brösch dabei sein.

Abbildungen im Text:

Abb. 1 E. Brösch, Hl. Corona in Stickerei, Aachener Dom
Abb. 2 Arbeitssaal in Bröschs Fachschule (Kirchliche Textilkunst 1935, S. 38)
Abb. 3 E. Brösch, Bursa (Detail), Aachener Dom
Abb. 4 E. Brösch, Prunktuch (Detail), Aachener Dom
Abb. 5 E. Brösch, Chormantelschild (Detail), Aachener Dom
Abb. 6 Cover der von Brösch gestalteten Zeitschrift
Abb. 7.1 E. Brösch, Dalmatik des Limburger Ornates (Dommuseum Limburg, Fotograf Michael Benecke)
Abb. 7.2 E. Brösch, Dalmatik des Limburger Ornates (Dommuseum Limburg, Fotograf Michael Benecke)
Abb. 8 E. Brösch, Fahne (Detail), Bonner Münster
Abb. 9 Chormantelschließe des Trauerornats, Bonner Münster
Abb. 10 E. Brösch, Kasel eines Trauerornats, Bonner Münster
Abb. 11 E. Brösch, Detail des Trauerornats, Bonner Münster
Abb. 12 E. Brösch, Detail desTrauerornats, Bonner Münster

Aufnahmen (soweit nicht anders vermerkt): Dr. Elisabeth Peters