Eingeschlossen – allein mit 15.000 Büchern

Seit vielen Jahren begeistert der Archäologe und Theologe Dieter Vieweger in der Thomas-Morus-Akademie Bensberg mit Seminaren, die archäologische Erkenntnisse zur Geschichte Israels und des Vorderen Orients mit bibeltheologischen Fragen verknüpfen. Freuen Sie sich schon jetzt auf das kommende Seminar mit ihm am 28./29. November 2020 (Sa./So.), bei dem die großen Propheten des Alten Israel im Mittelpunkt stehen werden. Dieter Vieweger lehrt an den Hochschulen in Wuppertal und Witten-Herdecke, außerdem ist er Direktor wissenschaftlicher Institute in Jerusalem und Amman sowie in Wuppertal. Heute beantwortet er unsere Fragen …

Herr Professor Vieweger, wie haben Sie Ostern in Jerusalem verbracht?

Seit dem 11.3. befindet sich das Deutsche Evangelische Institut (DEI) Jerusalem auf dem Ölberg mit seiner Nähe zum Krankenhaus auf dem Augusta Victoria Compound in strenger Isolation, wenig später folgte ihm das DEI Amman nach. Auch am Ostersonntag habe ich mich selbstverständlich an die strikten Vorgaben der Regierung gehalten und bin in meinem Institut geblieben. Dort habe ich für mich allein Ostern gefeiert.

Wie kann ein archäologisches Institut in Corona-Zeiten arbeiten?

Den zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts geht es gut. Sie arbeiten alle an ihren Qualifikationsarbeiten (Promotion 5x, Habilitation 4x oder am Bachelor 1x). Ganz sicher hat uns in dieser herausfordernden Zeit geholfen, dass Grabungssituationen auch immer „abgeschottete“ Lebensweisen an entlegenen Grabungsorten fördern. Und natürlich hilft uns unsere sehr gute technische Ausstattung. Drei Server stehen in drei Ländern und stellen – in Echtzeit abgeglichen – viele Terabytes Daten aller Grabungen und sonstiger DEI-Dateien an alle im Team, wo auch immer sie sich befinden, zur Verfügung. Zudem sind per Open Access Archive, Datenbanken, Lexika und e-Journals zugänglich und der fachliche Austausch gewährleistet. – Das war eine fruchtbare Zeit! Noch in diesem Jahr werden wir vier Bände der Grabungspublikation zum Tall Zirāʿa in Jordanien an den Verlag geben können.

Und woran arbeiten Sie aktuell persönlich?

Ich habe den vierten Band meiner Grabungspublikation „Geschichte der biblischen Welt“ geschrieben. Dieser wird im Sommer nächsten Jahres in den Läden stehen. Im Vorwort steht:

„Am Glückstag erfreue dich deines Glücks und am Unglückstag sieh ein: Auch diesen hat Gott geschaffen, genau wie jenen, sodass der Mensch von dem, was nach ihm kommt, gar nichts herausfinden kann.“ (Kohelet 7,14)

 Die durch die letzten Jahre beliebt gewordenen „Exit-Spiele“ lehren ein gemeinschaftliches Entkommen (Anm. d. Red.:  Bei diesen Spielen müssen alle Mitspieler möglichst schnell aus einer Situation oder einem Raum entkommen und dafür verschiedene Aufgaben oder Rätsel lösen). Was aber, wenn der Landweg versperrt, die Fluglinien eingestellt und das Meer fürs Durchschwimmen zu groß ist? Immerhin konnte ich die Zeit der Quarantäne und dadurch

verursachten Isolation in einer Bibliothek mit 15.000 Büchern verbringen. Und so habe ich mein zurückgestelltes Vorhaben, die byzantinische und omayyadische Zeit ebenfalls zu besprechen, schon rasch nach den drei ersten Bänden der „Geschichte der biblischen Welt“ im März 2020 in Angriff genommen.

Wie geht es für Sie in den nächsten Wochen weiter?

Unsere Grabung in Jerusalem auf dem Zionsberg ist genehmigt. Wir werden ab Mitte Juni nur mit unseren eigenen Kräften und in Jerusalem erreichbaren Volontären arbeiten können. Die geophysikalische Prospektion in Tiberias können wir im Sommer durchführen. Im Herbst soll es dann auf dem Tall Zirāʿa weitergehen. Inschallah. Und im Februar 2021 ergraben wir Tiberias.

Wir hoffen nun auf ein baldiges normales Leben in Israel, auch dass die in Deutschland festsitzenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell zu uns stoßen.

12. Mai 2020 || Ein Beitrag von Dr. Michael Hartlieb, Akademiereferent Theologie und Philosophie

Alle Fotos (c) Dieter Vieweger