Das könnte den Herren der Welt ja so passen – Zum 100. Geburtstag von Kurt Marti

Am 31. Januar 1921, vor 100 Jahren, wurde in Bern der Schweizer Schriftsteller und Theologe Kurt Marti geboren. Meine erste Begegnung mit den Texten des evangelisch-reformierten Pfarrers war in den 1970er Jahren im neuen geistlichen Lied von Peter Janssens „Ein anderes Osterlied“. Janssens hatte in dem Lied ein Gedicht Martis zugrunde gelegt. Es war ein Protestlied gegen die schreiende Ungerechtigkeit auf Erden und die Vertröstung auf einen Ausgleich nach dem Tod „Das könnte den Herren der Welt ja so passen, wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme …“. Für Marti war Auferstehung auch der Aufstand Gottes gegen die Herren.

Erst später habe ich den Text in seinem kleinen, in der Zwischenzeit vielfach neu aufgelegt Buch „Leichenreden“ wieder entdeckt. Ein Buch, dass mich immer wieder fasziniert und deren Texte, auch wenn sie schon über 50 Jahre alt sind, von ihrer Kraft und Faszination nichts verloren haben. Der leichte Umgang mit dem Tod, aber verbunden mit dem Aufruf hier und jetzt zu leben, durchzieht diese Texte, die manch verbreitete Floskel über das Sterben kritisch hinterfragt. Dem Tod ist klar entgegenzutreten, denn er ist nicht zu vermeiden, aber das Motto von Kurt Marti war stets, das Leben durch die befreiende Osterbotschaft neu zu sehen und diese in das Leben hier und jetzt zu integrieren.

wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
feiert nicht mich
und auch nicht den tod
feiert DEN
der ein Gott von lebendigen ist

wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
zieht euch nicht dunkel an
das wäre nicht christlich
kleidet euch hell
singt heitere lobgesänge

wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
preiset das leben
das hart ist und schön
preiset DEN
der ein gott von lebendigen ist

Kurt Marti, Leichenreden, Darmstadt und Neuwied, 10. Aufl. 1986, S. 19

Marti war ein Meister der kleinen Form, der als ausgesprochene Doppelbegabung zum einen den Dienst als Pfarrer in unterschiedlichen Gemeinden in der Schweiz versah und zum anderen als genialer Autor neben Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt, mit dem er einige Zeit gemeinsam die Schulbank drückte. Was ihm jedoch in der Lyrik in knappster Sprache gelang, war ihm als Prediger nicht gegeben. Aber da ging es auch nicht um Lyrik in vereinfachter Form, sondern um Auslegung eines Schrifttextes. Sein vielfach ausgezeichnetes Werk steht weit über den Schweizer Kontext hinaus exemplarisch für eine produktive und anspruchsvolle Verbindung von christlicher Religion und Literatur. Marti ist als Repräsentant einer neuen, d.h. der säkularen Welt zugewandten, christlich bestimmten Literatur zugleich ein eminent politischer Autor. 2017 ist Marti im Alter von 96 Jahren gestorben. In einem Nachruf im Deutschlandfunk schreibt Burkhard Reinartz 2017 Marti wolle „Den Himmel auf Erden anzetteln“. Damit hat er das Lebenswerk Martis gut auf den Punkt gebracht. Heute verwaltet die Kurt Marti-Stiftung die Urheberrechte. Auf deren Internetseite finden sich zahlreiche Dokumente, Audio- und Videobeiträge, die das Werk des Schweizer Querdenkers lebendig halten. Wer auf Twitter unterwegs ist, kann sich jeden Tag ein Zitats Martis zusenden lassen.

Titelbild: Hektor Leibundgut, Bern

31. Januar 2021 || ein Beitrag von Andreas Würbel, Akademiereferent