Was uns zusammenhält-Religionsgemeinschaften-Werner Heidenreich-Mehr im Blog

Kein Frieden ohne Religionsfrieden (Hans Küng)

Schauen wir auf die politischen Entwicklungen weltweit lässt sich ein Anwachsen religiös fundamentalistischer Bewegungen feststellen, die mit ihrer Radikalität, Ausgrenzung Andersgläubiger und ihrem Anspruch, ihre Ansichten seien die einzig Richtigen, ein demokratisches und friedliches Miteinander unmöglich machen. Betrachten wir die bestehenden Konflikte und Kriege weltweit, fällt auf, dass viele von ihnen religiöse Wurzeln haben bzw. religiös geprägt sind.

Dies scheint im Widerspruch zu unserer gesellschaftlichen Lage in Deutschland und einer Großstadt wie Köln zu stehen. Wir erleben hier eine zunehmende Säkularisierung, in der der Einfluss der Religionen ständig zurückzugehen scheint. Die aktuellen Kölner Massenaustritte aus der katholischen Kirche aufgrund des Missbrauchsskandal belegen dies auf eindrückliche Weise.

Auch in unserer säkularen Gesellschaft bestehen starke spirituelle Bedürfnisse und entsprechende Themen finden prominente Plätze in der Medienwelt. Deshalb sind auch religiöse Institutionen, Gemeinschaften und letztlich alle Menschen, die sich als religiös verstehen und sich entsprechend engagieren, berufen, Antworten zu geben auf die Frage nach dem Erhalt bzw. der Wiederherstellung unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Ich glaube der erste und wichtigste Schritt für religiöse Menschen und ihre Institutionen ist es, das Trennende und Ausschließende ihrer eigenen Religion zu benennen und diese Aspekte zu neutralisieren. Dies fordert möglicherweise einen vollständigen Paradigmenwechsel in der eigenen Lehrauslegung. Dies betrifft nicht nur den Wahrheits- und Gültigkeitsanspruch, den Religionen für sich deklarieren, es geht auch um die Definition von tugendhaften Verhalten, den Umgang mit Andersgläubigen und nicht zuletzt dem Heilsversprechen, das auch denen zugebilligt werden muss, die nicht zur betroffenen Religion gehören.

“Kein Frieden ohne Religionsfrieden” (Hans Küng) gilt auch für unseren Alltagsbereich. Wir brauchen einen respektvollen und wertschätzenden Umgang der Religionen miteinander, wollen wir den gesellschaftlichen Frieden erhalten. Deshalb befürworte ich den interreligiösen Dialog und wünsche mir, dass dieser noch intensiver und zugleich offener und mutiger auch Probleme und Diskurse zwischen den Religionen bespricht.

Köln war eine der ersten Städte, die einen “Rat der Religionen” ins Leben rief, der seit vielen Jahren erfolgreich zusammenarbeitet. Mir ist wichtig, dass solche Räte nicht auf parlamentarische Weise zusammenarbeiten, bei der es Gewinner und Verlierer irgendwelcher Abstimmungen gibt, sondern dialogisch ein gegenseitiges Verstehen und Verstandenwerden möglich machen. In Köln haben wir über viele Jahre auf diese dialogische Weise miteinander kommuniziert. Die Sitzungen sind alle nichtöffentlich, um so die Möglichkeit zu schaffen, sich offen und frei austauschen zu können. Dieser wertschätzende Umgang miteinander hat dazu beigetragen, einen hohen Grad an Respekt und gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.

Das Referat “Dialog und Verkündigung” des Kölner Erzbistum hat mit anderen Religionsvertreter:innen ein Netzwerk gegründet, das sich ökologisch engagieren möchte. Dem liegt die Einsicht zu Grunde, dass die globale ökologische Krise das dringendste Problem unserer Zeit ist und wir gemeinsam, also mit allen Religionen zusammen, uns diesem widmen sollten.

Dieser Zusammenschluss ist nicht nur ein Engagement für ein Erhalt der Natur, er ist zugleich ein wichtiger Beitrag zu einem friedlichem Miteinander in unserer Gesellschaft. Nichts verbindet Menschen mehr als der direkte persönliche Kontakt und das miteinander Handeln.

Schließen möchte ich mit dem Projekt Weltethos, das der erst kürzlich verstorbene Theologe Hans Küng international bekannt machte. Alle Religionen lehren als Kern ihrer Botschaft Liebe und Mitgefühl. Diese sind allen Wesen entgegenzubringen, sie dürfen sich nicht exklusivistisch nur auf die eigenen Glaubensgeschwister beziehen. Die Goldene Regel, die Hans Küng in allen Religionen wiederfand und die Grundlage des Projekt Weltethos ist lautet schlicht: “Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.”

Mögen die Religionsvertreter:innen aller Religionen, mögen alle Gläubige und Atheisten sich nach dieser Goldenen Regel in ihrem Miteinander orientieren!

9. Oktober 2022 || ein Beitrag von Werner Heidenreich, buddhistischer Religionslehrer in Köln

Er engagiert sich seit vielen Jahren in zahlreichen interreligiösen Gesprächskreisen und Foren für den Dialog der Religionen. Er ist Mitglied des internationalen Laienordens „Intersein“, gegründet von dem buddhistischen Mönch Thich Nhat Hanh. In der „Internationalen Friedensschule“ unterrichtet er im Fach Religion Buddhismus.