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Was fehlt, wenn die Christen fehlen?

Es fehlt dann eine Hoffnung, die in diesen Zeiten mehr als nötig ist. Das Fehlen beginnt mit einer Zumutung, führt zu einer Demütigung und eröffnet eine Ermutigung.
Christ:innen fehlen erstens, wenn etwas geschieht, was sie ausfallen lässt. Die säkulare Welt hat sich weiter entwickelt, als jemals zuvor gedacht, ohne dass viele Christ:innen damit Schritt halten. Das mutet ihnen zu, dass es notfalls auch ohne sie geht. Die säkulare Welt findet Ersatz in Gestalt von Menschen, die darum ringen, dass ihre Würde respektiert wird, und von Menschen, die sich damit solidarisieren. Tun Christ:innen das nicht, werden es andere tun.
Christ:innen können aber auch fehlen, weil es Anlass zur Sorge gibt, dass sie ausfallen. Das ist die Lücke, wenn das christliche Evangelium von der Liebe zu den Nächsten, die unter die Räuber gefallen sind, selbst unter die Räuber gefallen ist. Das kann zwar auch geschehen in wachsenden Egoismus und Selbstgerechtigkeit, aber noch viel demütigender geschieht es durch den Verrat der eigenen Botschaft durch Christ:innen selbst. Der sexuelle Missbrauch der katholischen Kirche belegt das. Dieses Fehlen ist keine Lücke, die bleibt, sondern drittens das schuldige Verfehlen der eigenen Botschaft, was im schamlosen Missbrauch und seiner unverschämten Vertuschung geschehen ist. Wenn Christ:innen sich dafür schämen, dass dieses Ver-Fehlen über Jahrzehnte möglich war, dann wird ihnen schmerzlich die Hoffnung fehlen, unter deren göttlicher Zusage sie eigentlich stehen. Nicht durch diese Schuld, wohl aber mit der Scham darüber beginnen sie dann, danach zu suchen. Das führt sie zu einem unverzichtbaren Nein, das dem Ja zur Hoffnung vorausgeht. Erst wenn Nein gesagt wird zu dem, was den kirchlichen Missbrauch von unschuldiger Sexualität, vertrauensvoller Spiritualität und zugestandener Macht ermöglicht und begünstigt hat, öffnet sich ein Raum, wo diese Hoffnung wieder zu finden ist. Auf dem Boden des Nein Ja zur Hoffnung zu sagen, revoltiert dagegen, dass es so weiter geht mit den Christ:innen. Diese Revolte würde heute der Menschheit nachhaltig fehlen, weshalb Christ:innen eben nicht fehlen dürfen.

Die Adventszeit beginnt. Wird sie wieder an uns vorbeiziehen oder wird es uns gelingen, sie bewusster wahrzunehmen? In der geprägten Zeit des Advents tut es gut, innezuhalten – und zu schauen auf das, was da Weihnachten passiert: Gott wird Mensch und kommt in die Welt.

Wie viele glauben noch daran oder wissen darüber? Schon bald werden weniger als 50% der Deutschen einer christlichen Kirche angehören. Im Redaktionsteam fragen wir uns, was fehlt, wenn die Christen fehlen? Und das haben wir auch andere gefragt, ihre Antworten lesen Sie an den Adventssonntagen in unserem Blog „Akademie in den Häusern“. Am zweiten Advent beantwortet Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Sander diese Frage.

Bildnachweis:

S. Haigermoser (vielen Dank)

5. Dezember 2021 || ein Beitrag von Prof. Dr. Dr. habil. Hans-Joachim Sander, Universitätsprofessor für Dogmatik an der Universität Salzburg

Prof. Dr. Dr. habil. Hans-Joachim Sander, Universitätsprofessor für Dogmatik an der Universität Salzburg