Hilfe für das Montessori Kinderhaus Kyoto

Japan und Deutschland – eine Freundschaft zum Wohle der Kinder verbindet seit über 60 Jahren zwei Kontinente.

1954 gründeten die Erzdiözesen Köln und Tokio eine „Gebets – und Hilfsgemeinschaft“. Die kleine Erzdiözese Tokio erhielt finanzielle Hilfen aus Köln und im Gegenzug schickte der damalige Erzbischof Doi Ordensschwestern nach Köln. Viele Schwestern, die 1958 nach Köln kamen, wurden in Kindergärten tätig und lernten dort die Montessori-Pädagogik kennen. Schon im Jahre 1966 erhielten die ersten Schwestern das Montessori-Diplom für Elementar-Pädagogik. Zu den Ausbildern gehörten unter anderen: Luise Raskin, Prof. Dr. Paul Oswald, Prof. Dr. Günter Schulz-Benesch, Hans Elsner, Maria Wachendorf, Helene Helming und Anni Schäfer. Der Lehrgang wurde von der AMI anerkannt, als Vorbereitung auf das AMI Diplom. Schwester Ignazia, Leiterin einer Mädchenschule in Fujisawa, besuchte ihre Mitschwestern in Köln. Sie war so begeistert von der Arbeit in einem Kölner Kinderhaus, dass sie im Rahmen der katholischen Schulorganisation 1962 einen Studienzirkel für Montessori-Pädagogik in Japan gründete. Viele japanische Pädagoginnen gingen nach Italien, die USA und Indien, um Montessori-Pädagogik zu studieren. Aber die Reisen waren teuer. 1970 begann eine erste Ausbildung in Montessori-Pädagogik in Japan. Dabei gab es Unterstützung durch Erziehungswissenschaftler*innen der Universität Münster: Prof. Paul Oswald, Prof. Günter Schulz Benesch, Prof. Hildegard Holstiege und Prof. Harald Ludwig. 1976 schickte die AMI Prof. Paul Oswald zur Abschlussprüfung des Lehrgangs nach Japan. Oswald setzte sich dafür ein, dass praktische Elemente mehr Gewicht in den Lehrgängen erhielten.

2001 reiste Prof. Ludwig nach Japan zu einer mehrwöchigen Studien- und Vortragsreihe an der Sophia-Universität in Tokio und anderen japanischen Universitäten. Dabei informierte er sich auch über die Umsetzung reformpädagogischer Konzepte in der Praxis. Beim Besuch des FUKAKUSA MONTESSORI KODO-MO NO IE. „Kodomo no ie“ (Kinderhaus) in Kyoto lernte er Frau Keiko Shinohara Akabane kennen, die dieses Haus am 7. Januar 1979 gegründet hatte.

Die Stadt Kyoto, mit 1000-jähriger Geschichte war jahrhundertelang die Hauptstadt Japans. Mit heute 1,5 Millionen Einwohnern wird sie als „das kulturelle Herz Japans“ bezeichnet.

Frau Akabane gilt als Pionierin der Gründung und Ausbreitung der Montessori-Bewegung in Japan. Sie hatte in den 1960er Jahren die Montessori-Pädagogik in Köln und Münster erlernt. Mario Montessori, als Generalsekretär der AMI, erteilte ihr schon Anfang der 1960er Jahre das Diplom für die Stufe 3-6.

1963 wurde sie beauftragt in dem Armenviertel Adachi – ku in Tokio ein Kinderhaus zu planen und zu begleiten. Dieses Haus gilt als das erste nach Montessori-Prinzipien eingerichtete Kinderhaus in Japan. Es erlangte einen hohen Bekanntheitsgrad in Presse und Fernsehen. Das führte dazu, dass immer mehr Kindergärtnerinnen diese neue Methode kennen lernen wollten und so fand unter Leitung von Frau Akabane 1966 ein erster einwöchiger Informationskurs statt. 1973 gründet sie in Kyoto ein Montessori-Ausbildungszentrum. 2003, aus Anlass des 30-jährigen Bestehens hielt dort Prof. Harald Ludwig den Festvortrag zum Thema Friedenserziehung.

Frau Akabane pflegte über Jahrzehnte engen Kontakt mit Pädagogen*innen in Köln und Münster. Ich hatte das Glück sie bei einer ihrer vielen Besuche bei Anni Schäfer in Köln kennen zu lernen. Sie besuchte auch immer wieder die Jahrestagungen der deutschen Montessori Vereinigung in der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg. „Das Licht wurde angezündet, brennt leidenschaftlich weiter.“ (Keiko Akabane)

Das Kinderhaus Fukakusa Kodomonoie in Kyoto wurde 1979 von Frau Akabane gegründet. Auf einem Hügel zwischen Bambuswald und Mischwald, wo wilde Vögel leben und somit in einem direkten Kontakt mit der Natur. Kosmische Bildung pur, da die Kinder ihre Umgebung mit allen Sinnen aufnehmen. Dazu formuliert die Gründerin: “Ich glaube, dass diese Erfahrungen das Denkvermögen der Kinder schulen und ihren Geist. Ich will dies im Kinderhaus fortführen und den Kindern die echte Umgebung geben.“

Die Nichte von Keiko Akabane, Mieko Hasegawa-Negishi, studierte Kleinkindpädagogik in Japan und erhielt die Konzession 1.Klasse Kindergarten Lehrerin. Sie erwarb 2003 das“ Nationale Montessori Diplom Japan“ und entschloss sich, für ein Studium der Heilpädagogik in Köln. Frau Hasegawa-Negishi lernte ich 2005 kennen, als Teilnehmerin des Kölnern Diplom-Lehrgangs, den sie 2007 mit dem Deutschen Montessori Diplom abschloss. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft, besonders dadurch, dass sie ein Jahr lang bei mir im Kinderhaus St. Nikolaus als Pädagogin tätig war. Ein sehr bereicherndes Jahr für uns beide. Wir beide und die deutschen Kinder lernten viel voneinander und tun es immer noch. Heute arbeitet sie im Kinderhaus Kyoto, dass nun von ihrer Mutter Minako Negisshi geleitet wird. Beide sind Dozentinnen in Diplom-Lehrgängen in Japan.

2007, im Jahr „100 Jahre Montessori Kinderhaus“, veranlasste Frau Akabane einen Dokumentarfilm: „Das Beste für Kinder- ein Jahr im Fukakusa Montessori Kinderhaus“. Ein Film, der das eigenständige Tun von Kindern, die Rolle des Pädagogen, die Bedeutung der Umgebung, die Ganzheitlichkeit der Montessori-Pädagogik und den kosmischen Plan, der alles verbindet, spiegelt. In Diplom-Lehrgängen setze ich in gerne ein, um die Ganzheitlichkeit und gelebte Montessori-Pädagogik zu verdeutlichen.

Dieses Beispiel einer gelebten Montessori-Pädagogik ist nun im Jahre 2022 bedroht. Dazu Herr Tilmann Schneider-Pötsch, ehemaliger Montessori Schüler in Erftstadt, heute mit einer Japanerin verheiratet und in Tokyo lebend.

„Ryoko und ich haben gerade mit Frau Negishi-Hasegawa telefoniert und fassen kurz zusammen, wo in Kyoto der Schuh drückt. Es ist etwas kompliziert und man sieht, dass die japanische Bürokratie der deutschen in nichts nachsteht. Das Grundstück, auf dem der Kindergarten steht, war ursprünglich für den Bau einer Schule oder eines Krankenhauses vorgesehen, es standen aber schon immer Wohnhäuser darauf. Zuletzt hatte der Grundstücksbesitzer vor 40 Jahren neu bauen lassen und dem Kindergarten Quartier geboten. Dieser Kindergarten ist aber nicht öffentlich lizensiert und Frau Hasegawa wollte ihn als offizielle Bildungseinrichtung eintragen lassen. Bei diesem Versuch kam heraus, dass sich der Kindergarten an einer Stelle befindet, an der er eigentlich nicht sein dürfte und sich der Grundstücksbesitzer nicht an die Bauvorschriften gehalten hat. Deshalb muss der Kindergarten nun umziehen und die Häuser werden abgerissen. Frau Hasegawa hat immerhin ein Ausweichquartier gefunden, welches aber ziemlich eng und unpraktisch ist. Dieses Jahr im Sommer muss der Umzug stattfinden. Sie würde gerne an den alten Ort in ein neues Quartier zurückkehren, was aber nur als öffentlich Anerkannte Bildungseinrichtung möglich ist, um den Vorschriften für dieses Grundstück zu genügen. Dem steht wieder die japanische Gesetzgebung im Weg. Als private Einrichtung ist es möglich einen Bankkredit zu bekommen, nicht aber als öffentliche Bildungseinrichtung. So müssen sie also den Bau eines neuen Kindergartens an alter Stelle aus eigenen Mitteln oder durch Spenden finanzieren. Für den Umzug und Neubau sind wohl über 30 Millionen Yen nötig (2.3 Millionen Euro), die Einrichtung verfügt aber gegenwärtig nur über 3.5M Yen und nimmt an, etwas über 10 Millionen an Förderung eintreiben zu können. Das gegenwärtige Grundstück liegt auf hügeligem Gelände, weshalb bei einem Neubau Maßnahmen zur Erdbeben- und Erdrutschsicherheit, wie etwa der Bau von Haltemauern notwendig werden. Der Umzug und die Anmietung des Ausweichquartiers kosten natürlich auch. Deshalb wäre es Frau Hasegawa wichtig, die Geschichte so weit wie möglich publik zu machen, gerade in Deutschland, wo die Montessori-Bewegung stärker ausgeprägt ist, um Spenden einzutreiben als auch ihren Kindergarten bekannter zu machen. Gerade wenn es Unterstützung aus dem Ausland gäbe, meint sie, würde es auch in Japan einfacher die nötigen Mittel einzutreiben. Daher hätte sie es gerne, wenn ein Film, der vor einigen Jahren über ihren Kindergarten zum 100-jährigen Montessori Jubiläum gedreht und bei einer Veranstaltung in Italien gezeigt wurde, auch in Deutschland Verbreitung fände.

Kurz gefasst, es wäre Frau Hasegawa wichtig, eine möglichst weite Öffentlichkeit zu schaffen und den Film über ihren Kindergarten zu verbreiten und um Spenden wie Unterstützung zu bitten. Ich hoffe, wir haben die Sache einigermaßen richtig verstanden. Beste Grüße aus Tokyo.“

Der Film „Das Beste für Kinder. Ein Jahr im Kinderhaus Kyoto“ wurde im September 2022 durch Sönke Held und Maria Kley-Auerswald bearbeitet und in Deutsch kommentiert. Er kann voraussichtlich ab November 2022 käuflich erworben werden und hilft damit Kyoto bei der Gründung eines neuen/bewährenden Kinderhauses. „Das Beste für die Kinder weltweit, egal wo auf unserer Erde. Montessori hat sich als Weltbürgerin bezeichnet und der Frieden ist nach ihrer Aussage das Werk der Erziehung und nicht der Politik.“

Und Frau Mieko Negishi-Hasegawa ergänzt: „Die Welt steht vor vielen Problemen, sei es der russischen Invasion der Ukraine oder Katastrophen durch den Klimawandel. Wir glauben jedoch, dass nur wenige Kindereinrichtungen auf der Welt Kinder so respektieren und ihnen eine freie Entfaltung ermöglichen, wie sie die Montessori-Pädagogik vertritt. Wir glauben, dass mehr glückliche Kinder auch zu mehr Frieden in der Zukunft führen können. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns als Kollegen in der Montessori-Arbeit auch aus der Ferne bei Aufbau und Erhalt des Fukakusa Kodomo-noIe unterstützen würden.“

Quellen:

Negiski, Mieko, Kley-Auerswald, Maria: Kinder sind anders und doch überall gleich. Impulse der Reformpädagogik: Erzieher Lehrer Partner, Lit Verlag 2010

Blasel-Kaneko, Mechthild: Ein Tag im Montessori- Kinderhaus Kyoto/Japan Zeitschrift Montessori, Heft 2, 2014

Ludwig, Harald, Montessori-Pädagogik und Reformpädagogik im Land der aufgehenden Sonne, 2001

25. September 2022 || ein Beitrag von Maria Kley-Auerswald

Sie war bis Ende Juli 2021 Leiterin des katholischen Montessori-Kinderhauses in Kürten-Dürscheid. Sie ist weiterhin Dozentin für Montessori-Pädagogik, Leiterin von Diplom-Lehrgängen und zweite Vorsitzende der Deutschen Montessori-Vereinigung.

Maria Kley Auerswald-Montessorie Pädagogik

An diesem Wochenende findet in Bensberg die pädagogische Fachtagung Den Wandel gerecht gestalten. Perspektiven der Vorbereiteten Umgebung zusammen mit der Deutsche Montessori-Vereinigung e. V. statt.