¡Feliz cumpleaños, papa Francisco!

Lieber Papst Franziskus, heiligster Vater,

vor 85 Jahren, eine Woche vor dem Heiligen Abend des Jahres 1936, wurden Sie in Buenos Aires geboren – am Ende der Welt, wie Sie es viele Jahre später einmal ausdrücken sollten. Es waren dunkle Zeiten, in Argentinien, in Deutschland, in der ganzen Welt. Was mögen Ihre Eltern gedacht und gehofft haben an jenem Donnerstag? Welche Zukunft wünschten sich Regina Maria und José Mario Francisco Bergoglio für ihren ersten Sohn, dem sie den Namen Jorge Mario gaben? Ganz sicher dachten sie nicht im Traum daran, dass ihr Kind einmal Bischof von Rom und damit geistliches Oberhaupt von über einer Milliarde Katholikinnen und Katholiken auf der ganzen Welt werden würde.

Man kann auch nicht sagen, dass Ihr Lebensweg vorgezeichnet schien. Die Ausbildung zum Chemietechniker dürfte für die Rolle des Stellvertreters Christi ebenso wenig qualifizieren wie die Betätigung als Türsteher einer Bar oder als Hilfshausmeister. Wobei – vielleicht liege ich da falsch. Vielleicht waren dies sogar die entscheidenden Stationen der Vorbereitung. Vielleicht hat schon hier begonnen, was Sie später zum Programm Ihres Pontifikats machen sollten: dass die Kirche an die Ränder gehen soll, auch auf die Gefahr hin, ein paar Beulen und Schrammen abzubekommen. So schrieben Sie in Ihrem ersten Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium die berühmt gewordenen Zeilen: „Mir ist eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist. Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist“ (EG 49).

Das war im Herbst 2013, wenige Monate nach Ihrer Wahl zum 266. Bischof von Rom, ein neuer Sound, den wir so von der Kirche nicht kannten. Vom ersten „Buona Sera“ auf der Benediktionsloggia des Petersdoms haben uns Form und Inhalt Ihrer Aussagen bis heute immer wieder überrascht. Nicht alle dieser Überraschungen mögen immer allen gefallen haben, im Gegenteil! Fast immer gab es irgendwo Applaus und anderswo Empörung. Aber anders als bei Ihren Vorgängern kann man sich bei Ihnen nie so ganz sicher sein, wer als nächstes befriedigt und wer beleidigt sein wird. Mal jubeln die progressiven und reformfreudigen Kreise, während die konservative Seite grummelt, mal ist es genau andersherum. Ich zumindest werde schon lange nicht mehr schlau aus Ihnen.

Manchmal frage ich mich auch, wie weit wir in den letzten acht Jahren als Kirche gekommen sind auf unserem Weg an die Ränder. Verbeult ist die Kirche ohne Zweifel, aber viele dieser Beulen scheinen weniger vom caritativen Einsatz als vielmehr von den „fixen Ideen und Streitigkeiten“ herzurühren, die Sie doch gerade überwinden wollten. Alle Beteiligten mögen das Beste für die Kirche wollen, und doch ergibt sich ein Bild des selbstbezogenen Gerangels, des Missmuts und der Zwietracht.

Vielleicht war es nie anders, vielleicht war die Gemeinschaft der Gläubigen schon zur Zeit der Apostel nicht immer ein Herz und eine Seele (Apg 4,32). Und doch scheint es derzeit Superheldenkräfte zu brauchen, um die Kirche auf den Weg (zurück) zu führen, den Sie an jenem Abend im März 2013 auf der Benediktionsloggia beschrieben, „einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens“.

Dass Ihnen solche Kräfte zugetraut werden, belegen zahlreiche Graffiti, Karikaturen und populäre Bildnisse. Vielleicht gehört zu diesen Superkräften eben auch, dass Sie uns immer wieder überraschen. Und vielleicht kann diese Überraschung einmal so entwaffnend sein, dass plötzlich Verständigung möglich wird. Das wünsche ich Ihnen und uns allen – und Ihnen dazu viel Kraft, Inspiration und Gottes Segen.

In diesem Sinne: ¡Feliz cumpleaños, papa Francisco!

Bildnachweis

Papst Franziskus als Superman, gesehen auf einer Häuserwand in Rom, Christoph Wagener auf Wikimedia commons (CC BY 3.0)

Papst Franziskus beim ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Wahl, 13. März 2013, Tenan auf Wikimedia commons (CC BY-SA 3.0)

 

17. Dezember 2021 || ein Beitrag von Akademiereferent Dr. Matthias Lehnert