auf dem Weg bleiben-Beitrag von Thomas Quartier im Blog der Akademie

Auf dem Weg bleiben!

„Wenn der Himmel sich zu schließen droht, kann ein kleiner Ort auf Erden genug sein, um die Welt zu retten.“ Dieser Satz aus dem Kloster erscheint auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich. Gerade in der heutigen Zeit, in der der Himmel sich durch ganz konkrete Umstände – Armut, Gewalt und Gefahr – für viele Menschen zu schließen scheint. Wer dann die Welt retten will, darf sich nicht verkriechen. Es geht darum, sich auf den Weg zu machen, neue Wege zu gehen und unbekanntes Terrain zu erkunden. Was kann dann ein ‚kleiner Ort auf Erden‘ schon ausmachen?

Die Aussage stammt von einem Mönch, der zweifelt. Er weiß nicht mehr, was er glauben kann und schon gar nicht, was er tun soll. Die klösterliche Idylle ist für ihn zur Einöde geworden. Auch er kennt die Neigung, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Zugleich hat er das Gefühl, dass er seiner Berufung untreu werden würde, wenn er in die große weite Welt hinauszöge. Würde er wirklich mehr mit seinem Leben anfangen können, wenn er unterwegs wäre? Würde er frei sein, wenn er den Begrenzungen seines jetzigen Lebens entflöhe?

Die Zweifel des Mönchs gelten nicht nur im Kloster. Oft gehen wir wie selbstverständlich davon aus, dass ‚sich auf den Weg machen‘ räumliche Veränderung bedeutet. Öfter mal was Neues! Man kann nur wirklich etwas erreichen, wenn man flexibel ist. Das klösterliche Ideal der Stabilität steht dem gegenüber. Ein Mönch bindet sich einen Ort, wie es in der Regel des heiligen Benedikt heißt: ‚Lass dich nicht sofort von Angst verwirren und fliehe nicht vom Weg des Heils; er kann am Anfang nicht anders sein als eng‘ (RB Prol 48). Echte Veränderung kann also auch bedeuten, auf seinem Weg zu bleiben.

Das ist durchaus ein schwerer Weg, und man sollte nicht den Fehler machen, dabei an eine Art Kadavergehorsam zu denken. Eher geht es um die innere Überzeugung, dass Veränderung sich nicht an äußeren Umständen abmessen lässt. Für Benedikt ist das Ziel spirituell: ‚Wer im klösterlichen Leben und im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit‘ (RB Prol 49). Jenes weite Herz kann immer da den Weg in eine bessere Welt öffnen, wo man gerade ist. Auch wenn der Himmel sich zu schließen droht, ist der eigene Ort ein guter Ausgangspunkt für einen Weg, auf dem man bleiben kann.

Unsere Buch-Empfehlung

Bleiben. Umarmen, was man sich nicht ausgesucht hat.

Thomas Quartier

Münsterschwarzach: Vier Türme Verlag 2022.

Buchcover: Vier-Türme GmbH – Abteilung Verlag (vielen Dank)
Titelbild: unsplash.com, gemeinfrei

27. Dezember 2022 || ein Beitrag von Thomas Quartier osb, Benediktinermönch und Professor für Monastische Studien