… Elisabeth Mölders. Sie ist Trainerin für das Bensberger Mediations-Modell und Trainerin für den No Blame Approach. Seit 1997 arbeitet sie an ihrer Schule (Gymnasium) mit dem Modell. Seit 2001 leitet sie Workshops zum Bensberger Mediations-Modell, zudem koordiniert sie die Angebote für die Sekundarstufe.

Sie sind als Trainerin seit vielen Jahren in der Thomas-Morus-Akademie bei der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern, Schulsozialarbeitern und Pädagogen im Bereich der Streitschlichtung aktiv. Was fasziniert Sie immer noch an der Schulmediation?

Zu erleben, wie zwei Streithähne, die sich so ineinander verbissen haben, dass sie gar nicht mehr fähig sind, dem Unterricht zu folgen, aber nach dem Gespräch mit dem Schlichtern zufrieden in die Klasse kommen und wieder ungestört meinem Unterricht folgen können. Zu erleben, dass schon Grundschüler keine Angst mehr vor Streit haben, weil sie lernen, konstruktiv damit umzugehen. Zu erleben, dass junge Menschen empathisch „in den Schuhen des anderen laufen“ können, um sich gegenseitig besser zu verstehen. Zu erleben, dass Streit von uns Erwachsenen nicht mehr unter den „Teppich gekehrt“ oder negiert wird, sondern alle gemeinsam nach Lösungen suchen. Zu erleben, dass Kinder und Jugendliche Verantwortung für ihr Verhalten im Konflikt übernehmen, ist für mich ein ungemein wichtiger Beitrag zur heutigen Demokratieerziehung. All das fasziniert mich heute mehr denn je und überzeugt mich, auf dem richtigen Weg zu sein.

Die Qualifizierung erfolgt nach dem in Bensberg entwickelten Bensberger Mediations-Modell. Was macht dieses Modell so einzigartig?

Einzigartig sind die zwei identischen Säulen, auf denen das Modell aufgebaut ist, die Intervention und die Prävention. Die Säule der Intervention greift sofort im konkreten Streitfall. Gemeint ist damit das klassische Konfliktgespräch im Streitschlichtungsraum, aber auch die von uns entwickelte und sehr wirkungsvolle „Erst-Hilfe im Streit“, eine Kurzintervention zum Beispiel für den Pausenhof. Krönung ist der Umgang mit dem Hosentaschenbuch, mit dessen Hilfe Kinder und Jugendliche ihre Streitigkeiten eigenständig lösen können. Darüber hinaus schaffen wir mit dem Ansatz des No-Blame-Approach ein aktives und zugleich effektives Vorgehen gegen Mobbing in unserem Modell.

Die Säule der Prävention ist das Klassenprogramm „Anders streiten“ mit besonders nachhaltiger Wirkung. Hierbei erwerben Kinder und Jugendliche die notwendigen Schritte für den Ernstfall. Diese Struktur schafft eine positive Haltung und Vertrauen zum und im Konflikt. Unterstützend wirkt sich die Arbeit mit entsprechenden Werten für die Klassengemeinschaft aus. Diese Nachhaltigkeit belegt eine Dissertation des Lehrstuhls für Kriminologie der Ruhruniversität Bochum.

Einzigartig macht das BMM auch, dass wir von der Kita bis in die Sekundarstufen in beiden Säulen immer nach den gleichen Regeln und Ritualen vorgehen können. Das schafft gelebte Nachhaltigkeit.

In der Schule werden Schülerinnen und Schüler zu Streitschlichtern/Schulmediatoren ausgebildet und lernen, kleineren Mitschülern bei der Konfliktlösung zu helfen. Welche Kompetenzen lernen sie dabei auch für ihren persönlichen Umgang mit Konflikten?

Schülermediatorinnen und Schülermediatoren erwerben bzw. erweitern in ihrer Ausbildung ihre sozialen Kompetenzen, so z.B. ihre kommunikativen Fähigkeiten, „aktives Zuhören“. Sie erlernen in Rollenspielen die Gesprächsführung im Konfliktgespräch. Das ist nicht nur „Handwerkszeug“, sondern vielmehr auch Haltung, lösungsorientiert, nach vorne schauen. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, kompetent Verantwortung im System Schule zu übernehmen. Dies bleibt sicherlich nicht ohne Folgen für ihre zukünftige Rolle in der Gesellschaft. Ausgebildeten praxiserfahrenen Schlichterinnen und Schlichtern vermittelt die Schule erfahrungsgemäß so wichtige Zusatzqualifikationen für ihre spätere berufliche Ausrichtung.

Die Streitschlichterinnen und Streitschlichter sind in der Schule nur eine kleine Gruppe. Wenn das Verfahren der Mediation so gut hilft, Konflikte zu lösen, müsste diese dann nicht ein verpflichtender Baustein der Pädagogik in der Schule sein?

Ich würde gerne noch eine Ebene vorschalten: Da die Lehrerinnen und Lehrer die Multiplikatoren der Schulmediation sind, sollten diese schon während ihres Studiums bzw. des Referendariats Möglichkeiten der Information bzw. Ausbildung erhalten. Es sind schon längst keine Einzelfälle mehr, dass uns in dieser Phase ehemalige Schlichterinnen und Schlichter begegnen, ein sicheres Signal dafür, dass die Mediation in unserer Gesellschaft angekommen ist und als selbstverständliches Verfahren akzeptiert wird.

Ja, ich erlebe dieses Modell als einen Gewinn für jede Schule. Alle Beteiligten, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, auch Betreuerinnen und Betreuer im Ganztag, Eltern, kurz: Alle sprechen die gleiche Sprache im Konflikt.

Das Bensberger Mediations-Modell (BMM) hält für die verschiedenen pädagogischen Institutionen ein breitgefächertes Angebot bereit. Wünschenswert wäre, wenn dieses Angebot noch mehr flächendeckend von unseren Schulen angenommen würde. Sicherlich ein ehrgeiziges Ziel. Mit dem zukünftigen Blick auf das System Schule und auf die kommenden Generationen aber ein unverzichtbarer Schritt, um konstruktiv Verantwortung in unserer Gesellschaft zu übernehmen.

Sehr geehrte Frau Mölders, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns auf die kommenden Mediations-Workshops mit Ihnen.

Die Fragen stellte Andreas Würbel, Thomas-Morus-Akademie Bensberg.